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Achtsamkeit im Alltag

Wir sind als Menschen lebende Organismen und damit Teil der Natur. Wir bestehen aus Zellen, die Nahrung, die wir zu uns nehmen, wächst in der Erde, die Luft, die wir atmen, bildet ein Kreislauf mit den Pflanzen, die uns umgeben. Die Natur unterliegt ihren Rhythmen. Es gibt Zeiten des Wachstums, des Tuns, des nach außen gerichtet seins genauso wie es Zeiten des Rückzugs, der Stille, des in die Erde wurzeln und Sterbens gibt, damit Neues entstehen kann. Auch unser Nervensystem unterliegt diesen Rhythmen. Ein Reiz wird als Input aufgenommen, vom Gehirn größtenteils unbewusst verarbeitet und darauf folgt eine körperliche Reaktion. Der autonome Teil des Nervensystems ist auf den Wechsel vom Wachstum und Kollaps angewiesen, um seine Funktionen ausführen zu können und einen Zustand er Homöostase aufrecht zu halten.


Die vor allem technische Entwicklung der letzten 20 Jahre gibt uns modernen Menschen ein Tempo vor, an das sich unser Nervensystem noch nicht angepasst hat.



Im Mai habe ich ein viertägiges Seminar zum Thema Achtsamkeit, Yoga und Meditation im wunderschönen Kallmünz/Bayern gehalten. Während des Seminars kamen ein paar Ideen auf, um auch im Alltag achtsame Momente zu etablieren, die uns einen kurzen Moment des Innehaltens ermöglichen und so unserem Nervensystem eine häufig überfällige Pause zu geben.



Hier ist eine Zusammenfassung von Ideen, die vielleicht auch dir helfen können, für einen Augenblick aus dem Autopiloten-Modus auszusteigen und das Steuer deiner inneren Erlebniswelt wieder selbst in die Hand zu nehmen. Was ich an dieser kleinen Sammlung am besten finde - sie kostet keine Extrazeit :)



Achtsamkeit als innere Haltung


Um den Vorgang der aktiven Achtsamkeit zu beschreiben, mag ich das Bild von einem Scheinwerfer, der ein Spotlight auf eine bestimmte Stelle auf einer Bühne setzt. Unsere Aufgabe ist es, den Scheinwerfer durch unsere Aufmerksamkeit auf die Stelle zu richten, auf der wir ihn haben möchten. Das ist fast ein bisschen zu einfach für unseren Verstand, der es gerne komplex und kompliziert mag.

  1. Innehalten, und die Aufmerksamkeit in den Körper richten. Achtsamkeit hat viel damit zu tun, im Moment zu sein und dafür lassen sich die Sinne unseres Körpers hervorragend nutzen. In dem Moment, in dem eine Sinneswahrnehmung bewusst wahrgenommen wird, hat das Gehirn wenig Chancen in der Vergangenheit oder Zukunft umher zu wandern. Du kannst dich also ganz einfach fragen: Was sehe ich gerade? Was höre ich gerade? Wie fühlt sich mein Körper gerade an? Wie fühlen sich die Vor- und Rückseite meines Körpers an? Gibt es Bereiche deines Körpers, die du stärker wahrnimmst, als andere? Wie fühlt sich deine rechte und wie deine linke Körperhälfte an?

  2. Mal was anders machen. Hast du schon mal versucht, dir mit deiner nicht dominanten Hand die Zähne zu putzen oder mit dem anderen Bein zuerst in die Hose zu steigen, dir zuerst den anderen Socken anzuziehen? All diese Dinge helfen dabei, Gewohnheiten zu erkennen und geben unserem Gehirn die Möglichkeit, Handlungen bewusst auszuführen.

  3. Vor dem Essen einen tiefen Atemzug nehmen. Bist du nach dem Essen müde und es fällt dir schwer dich zu konzentrieren? Hier gibt es einen einfachen Trick. Stelle dir vor dem ersten Bissen erst einmal nur vor, wie du ihn zum Mund führst. Das aktiviert den Anteil deines Nervensystems, der dafür verantwortlich ist, die Energie aus der Nahrung aufzunehmen (Parasympathikus). Wenn du dann einen kurzen Moment wartest, nimmst du sehr wahrscheinlich wahr, wie dir der Speichel im Mund zusammen läuft. Das ist das Zeichen deines Körpers, dass der Parasympathikus aktiviert und der Körper bereit ist, die Nahrung, die du aufnimmst, in Energie umzuwandeln. Das Ganze dauert circa 15 Sekunden.

  4. Den Fokus ändern. Gibt es in deinem Alltag kurze Momente, in denen du die Wahl hast, dich entweder über den Verkehr, die roten Ampeln, oder die Schlange an der Kasse im Supermarkt zu ärgern, weil sie dir wertvolle Zeit raubt? Oder können genau diese Situationen, die oft viel Kraft und Nerven kosten, eine Möglichkeit für dich sein, dich daran zu erinnern, zwei tiefe Atemzüge zu nehmen und dich zu fragen wie sich deine Körperrückseite und deine Füße gerade anführen?Kannst du den Temperaturunterschied spüren, wenn du im Supermarkt durch die Tiefkühlabteilung läufst? Wie riecht es an der Käsetheke? Wie in dem Bereich, in dem die Backwaren angeboten werden? All diese Dinge kosten keine extra Zeit, weil es Dinge sind, die du sowieso tust.

  5. Bewusst schmecken. Wie schmeckt die Schokolade, die du isst? Wie fühlt es sich an, wenn die Schokolade langsam in deinem Mund schmilzt? Wie schmeckt der Tee oder Kaffee, den du vielleicht morgens trinkst? Wie schmeckt dein Essen? Es gibt aus dem Buddhismus die schöne Aussage: "Wenn ich esse, esse ich und wenn ich mich unterhalte, unterhalte ich mich."

  6. Telefon Meditation. Ein weiteres schönes Alltagsbeispiel ist die Telefon-Meditation. Stresst dich das Klingeln eines Telefons, weil gerade wieder irgendjemand was von dir will? Vielleicht möchtest du das erste Klingeln oder Vibrieren deines Telefons als kleine Erinnerung an einen achtsamen Moment nutzen und bis zum zweiten Klingeln schauen, wo deine Wahrnehmung gerade ist, wie du jetzt gerade atmest oder wie sich dein Körper in diesem kurzen Moment anfühlt?

  7. Bewusst Umschalten. Ein Thema, das unter den Seminarteilnehmern aufkam, war der Wunsch, eine Abendroutine zu etablieren. Sich abends schlafen zu legen hat damit zu tun, sich dem Unbekannten zu übergeben. Wir schließen die Augen, geben damit ein Stück der Kontrolle ab, die im Alltag oft Sicherheit gibt. Sich nur das bewusst zu machen, kann dir vielleicht helfen, abends etwas bewusster ins Bett zu gehen. Vielleicht braucht es dann gar keine lange Routine.

  8. Dem Körper die Wahrnehmung erleichtern. Wenn du bei all diesen Anregungen das Gefühl hast, deinen Körper gar nicht wirklich wahrnehmen zu können, kann jede Form von Berührung hilfreich sein. Du kannst du dir z.B. einen Tennisball zwischen Wand und deinen Rücken klemmen und dir einfach den Rücken ausrollen. Das Gleiche funktioniert mit den Fußsohlen. Es aktiviert die Wahrnehmung über die Stimulation der Rezeptoren deines Körpers und gibt deinem Gehirn eine Rückmeldung, dass du überhaupt einen Rücken bzw. Füße hast.

  9. Last but not least - die Natur. Mich in der Natur aufzuhalten und diese zu beobachten hilft mir jedes Mal, meinen Blick innerlich wieder weit werden zu lassen und den Blick auf das große Ganze anstelle der kleinen, kniffeligen Details zu richten. Die Natur hat ihre Rhythmen und Zyklen. Wenn ich im Winter in den Supermarkt gehe und dort Erdbeeren angeboten werden, ich diese kaufe und dann enttäuscht bin, weil sie nach Wasser, sauer und unreif schmecken, ist das das Gleiche, wie von meinem Körper und meinem Geist eine ständige Leistungsfähigkeit zu verlangen und mich zu wundern, dass ich körperlich oder geistig erschöpft bin.


Achtsame Grundhaltung


Die Basis, um Achtsamkeitsübungen durchzuführen, ist eine möglichst wohlwollende, sich selbst gegenüber freundliche Grundhaltung. Der Moment an dem du merkst, dass die Aufmerksamkeit überall, nur nicht bei dir oder dem ist, was du gerade tust, ist schon der achtsame Moment. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Menschen sich darüber ärgern, dass ihre Aufmerksamkeit schon wieder irgendwo anders ist. Dabei ist der Punkt an dem du wahrnimmst, dass die Achtsamkeit überall, nur nicht bei dir selber ist, schon der achtsame Moment. Wenn es dir dann noch gelingt, deinen neutralen wohlwollenden Beobachter zu etablieren, der vielleicht beobachtet, in welchen Situationen die Aufmerksamkeit abhandengekommen ist, ist schon sehr viel gewonnen. Dein Körper und dein Nervensystem werden es dir danken!

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